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Beitrag vom 31.03.2004
Georgia Tornow
Sharon Adler, Meike Bölts
Wir sprachen mit ihr über notwendige Strukturanpassungen in der deutschen Filmproduktion, über ihre Rolle bei film20, ihre eigene Karriere und ihren Flug ins All...
Politologin, Journalistin, Kolumnistin und TV-Moderatorin, ist seit Februar 2001 die Generalsekretärin von film20. Die Westfälin (Jahrgang 1948) sagt von sich selbst: "Ich bin eine relativ überzeugende und im Nahbereich operierende Mosaikbiographie."
AVIVA-BERLIN: Frau Tornow, Sie sind Generalsekretärin der 2001 gegründeten Lobby-Gruppe film20. Was ist film20?Georgia Tornow: film20 ist eine Pressure Group. Es geht darum, den Hintergrund der Filmproduktionswirtschaft deutlich zu machen, damit eine Branche einmal wirklich in ihrer Dimension für die Volkswirtschaft erfasst wird. Um das ganz klar zu sagen: Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es medienpolitisch wirklich Sinn machte, hier einzugreifen, hätte ich das nicht gemacht. Ich persönlich war an einer Stelle: "Jetzt mache ich noch mal eine richtige Aufgabe." Worauf ich keine Lust mehr hatte, war eine Vergeblichkeitsübung. Ich habe mir nun erst einmal zusammen mit den Leuten drei Jahre Zeit gegeben. Und dann werden wir Bilanz ziehen.
Filmproduktion ist eine Zukunftsbranche, die im Unterschied zu ganz vielen anderen Branchen keine Arbeitsplätze abschafft. Die Filmproduktion ist und bleibt arbeitsintensiv. Da gibt es einen Personalbedarf, der immens ist, auf allen Qualifikationsebenen. Das sollen sich Politiker mal richtig auf der Zunge zergehen lassen.
AVIVA-BERLIN: Es war also Ihre Idee dieses Ziel anzustreben? Haben Sie film20 gegründet? Georgia Tornow: Nein, überhaupt nicht. Das ist an mich herangetragen worden, von Ulrich Felsberg, Road Movies Gruppe, Bernd Eichinger und von Günter Rohrbach, dem Produzentem von "Das Boot". Die drei hatten sich schon mit einer Reihe von Kombattanten verständigt, dass es etwas Neues geben muss.
So geht es nicht weiter.
Auslöser war die Urheberrechtsnovelle. Aber das war nicht alles, sondern es gab eine Reihe von Strukturproblemen. Das brannte denen schon länger unter den Nägeln. Die haben sich dann darauf geeinigt, dass es nicht darum gehen kann, einen weiteren Produzentenverband zu gründen. Wir wollen was anderes, wir wollen Lobby-Arbeit. Wir wollen eine Pressure Group.
AVIVA-BERLIN: Und haben Sie schon alle ProduzentInnen angesprochen?Georgia Tornow: Wir wollten gar nicht alle erfassen. Wenn ich eine Speerspitze bilden will, dann muss ich die Starken vereinen. Das ist eine andere Sichtweise als zu sagen, sammelt euch alle unter meinem Dach und ich mache dann einen Verband. Es ging darum, dass sich starke, kreative, erfolgreiche Produzenten - da allerdings dann in allen Größenordnungen - gesagt haben: "So geht es nicht weiter".
Um die 20 Leute, mehr sollten es gar nicht sein. Wir gehen voran für die Branche, wir blicken nach vorne. Wir vergleichen uns noch mal genau mit dem Ausland: was können wir von denen lernen und auch neu schneidern. Und wie kommen wir in Deutschland wieder auf einen grünen Zweig.
Strukturell ist es im Moment so, dass man als Produzent hier nicht wirklich reich werden kann. Jetzt könnte man sagen: "Na gut, dann bleibt er eben mittelreich oder dann bleibt er halt arm." Nein, es geht darum, ob sie im Unternehmen soviel haben, dass sie re-investieren können und den nächsten Film sinnvoll und mit einem gewissen Atem durchziehen können.
AVIVA-BERLIN: Worin unterscheiden sich Filmproduktionen in Deutschland und im europäischen Ausland?Georgia Tornow: Das Budget ist sowohl in Frankreich als auch in England höher. Uns in Deutschland wird immer gesagt: "Ihr könnt nichts anderes als Komödie.": Also Filme mit jungen Männern, die möglichst nicht so besonders gut deutsch sprechen und ein Beziehungsproblem haben, das ein bisschen skurril ist. Aber natürlich auch nicht zu queer. Nur gemäßigt, "Der bewegte Mann" zum Beispiel.
Das alles ist als Oberflächenbeobachtung richtig. Es hat aber auch damit zu tun, dass man wirklich gucken muss, was es kostet, einen Science-Fiction-Film oder einen richtigen Kostümfilm zu machen.
Das geht nur, wenn der dicke fette Partner Fernsehen dabei ist. Mit dem Fernsehen koproduziert - der Sender kann dadurch natürlich sein Profil abrunden - kommen dann die für das Kino gedrehten Filme ins Fernsehen, als Fernseh-Event sozusagen. Da hat sich schon was geändert in Deutschland.
AVIVA-BERLIN: Bitte beschreiben Sie für unsere LeserInnen Ihre Rolle bei film20.Georgia Tornow: Ich bin die Generalsekretärin von film20. Die Berufsbezeichnung kann ich hier ganz wörtlich nehmen: "General" meint hier, dass ich die Speerspitze in den Kampf führen soll. Ich scanne sozusagen die Entwicklungen der Branche und gebe neue Richtungen vor.
Und Sekretärin bin ich auch im wörtlichen Sinne: Ich leiste Rechenschaft ab über das, was ich tatsächlich mache. Auf der internen Homepage gibt es eine Rubrik "GT at work". Hier können die Produzenten Gesprächsnotizen, Briefverkehr und ähnliches einsehen. Dadurch können sie mir dann kurzfristig neuen Input geben, wenn sie selbst neue Informationen haben.
AVIVA-BERLIN: Frau Tornow, Sie haben nach Ihrem Politologie-Studium Anfang der 70er Jahre viele unterschiedliche Dinge gemacht. Verfolgten Sie einen beruflichen "Masterplan"?Georgia Tornow: Ich bin an sich ich eine relativ überzeugende und im Nahbereich operierende - wenn man meine Interessen von Anfang an mal ansieht - Mosaikbiographie.
Straight war ich dabei nicht unbedingt. Ich bewundere die Leute zwar, wenn sie ein bestimmtes Ziel anpeilen - Ausbildung, Referendariat, Abschluss - wenn sie zum Beispiel lebenslänglich Lehrer sind. Ich jedoch habe was gegen das Lebenslängliche, das klingt wie ein Urteil. Wie kann man sein Leben so ausrichten? Das kann nicht gut sein. Ich glaube, der lebenslängliche Umgang mit einer Sache verbildet im Zweifelsfall.
Ich finde es sehr wichtig, wenn man in seinem Leben unterschiedliche Sachen macht. Ich habe angefangen Politologie zu studieren und gleichzeitig ein Volontariat beim ZDF gemacht, habe also im Grunde Journalismus durchaus richtig gelernt. Das hat mir wahnsinnig viel gegeben.
Ich habe hier in Berlin studiert. Das war in dieser antiautoritären Phase. Man musste selber was bringen, um andere kritisieren zu können. Ich habe in dieser Phase an der Uni und durch die Revolte selbst unglaublich viel gelernt.
Das hat mich unbescheiden gemacht. Man hat gelernt, dass man etwas verändern und mit Autoritäten fertig werden kann. Für mich sind das Lebenslehren gewesen, die ich mitgenommen habe.
Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, das soll jetzt alles gewesen sein an Ausbildung? In der ersten Zeit nach der Uni habe ich mich richtiggehend gequält. Bis ich 1977 an der Uni eine Stelle bekam und als Assistentin bis 1985 am Otto-Suhr-Institut war.
Ich habe dann zwei Jahre als persönliche Referentin eines Vizepräsidenten eines Präsidialamtes gearbeitet - das ist meine Erfahrung vom öffentlichem Dienst, länger muss ich das auch nicht machen. Auch das war natürlich eine spannende Zeit. Ich war für Theater, Hausbesetzer, Frauenförderung - also diese ganzen sozialwissenschaftlichen Fächer - zuständig. Da waren aber nicht nur solche Glamourpunkte, sondern zum Beispiel auch eine Prüfungsordnung für den Doktor phil.
Danach ging ich zurück an das OSI. Als das dann vorbei war, wusste ich, ich will an der Uni nicht bleiben. Das war für mich dann tote Hose.
Ich überlegte mir, was ich mache und ging zu Olivetti, lernte dort Systemanalyse Schon lange habe ich mich mit neuen Technologien und sozialem Wandel auseinandergesetzt. Trotzdem konnte ich nicht wirklich gut mit Computern umgehen. Da habe ich mir gedacht: "Das ist ja Quatsch, du arbeitest die ganze Zeit damit, aber du verstehst sie nicht." Wo kommen wir denn da hin?
Es ist wirklich gut, dass ich das gemacht habe: Das war meine Ablösung von der Uni. Gleichzeitig habe ich gemerkt, in diesem Feld bringe ich es nicht zur Meisterschaft. Ich kann das jetzt benutzen, aber ich werde nie ein richtiger Hacker.
>AVIVA-BERLIN: Wie kamen Sie dann eigentlich zur taz?Georgia Tornow: Ich habe ja schon immer zwischendurch journalistisch gearbeitet.
Dann habe ich eine Reihe von Bewerbungen geschrieben. Und die erste, die funktioniert hat, das war die taz. Ich dachte erst: "Ach du lieber Himmel." Das lag mir nicht fern aber ich wusste schon, was das bedeutete. Dann überlegte ich mir: "Wieso denn nicht?" Es ging um die Wirtschaftsredaktion, das war wirklich gut. Von 1986 bis Ende 1991 war ich dort.
Ab 1988 war ich dann auch in der Redaktionsleitung. Ich denke, damals ist was gelegt worden, was ich jetzt auch wieder nutzen kann: Dass man sich sein Arbeitsfeld selber regelt. Dass man es selber strukturiert. Mit der inhaltlichen Arbeit als Generalsekretärin bei film20 ist das natürlich gar nicht zu vergleichen, aber es hat ähnliche Facetten: Zum Beispiel "der Sack Flöhe".
Dann ging ich in die Kulturredaktion der Berliner Zeitung, die neu strukturiert werden sollte. Das habe ich dann mit dem Feuilleton und "Berlin Berlin" gemacht. Da wäre ich gerne länger geblieben, aber es war kein Auskommen mit dem neuen Chefredakteur. Das war sehr schade. Da gab es einen ganz wunderbaren amerikanischen Art Director, Lockwood, mit dem hätte ich unheimlich gern noch ein Stück weiter gearbeitet. Das war aber nicht machbar.
Dann kommen solche Sachen wie Büchersendungen bei n-tv. Aber auch das ist nicht so völlig abwegig: Ich habe beim ZDF gelernt, warum sollte ich nicht bei n-tv arbeiten? Ich habe eine Kulturredaktion geleitet: Das passt doch alles ganz gut.
Danach habe ich econy gemacht: auch hier einen Relaunch. Wirtschaft, neue Technologien: Das war mein Feld, da konnte ich wieder an meine Unigeschichte anschließen.
Und man muss sich jetzt einfach vorstellen, dass ich aus all´ dem natürlich auch Menschen mitgenommen habe: Kontakte. Da gibt es so etwas wie ein Netzwerk, das auch aktivierbar ist. Und zwar in jeder Situation unterschiedlich. Das ist wunderbar. Ich bin ganz froh, dass ich schon länger 35 bin!
AVIVA-BERLIN: Sie haben keine Kinder. War das eine bewusste Entscheidung?Georgia Tornow: Wenn man Kinder kriegt, muss man sich entscheiden, so lange zu Hause zu arbeiten, bis man wieder in die Redaktion will. Und Entscheidungen soll man treffen! Alles andere ist Käse. Ich weiß nicht, wie die Frauen mit Kindern das machen. Ich könnte das nicht. Ich konzentriere mich gerne - auch gerne auf ein Kind.
Ich glaube nicht, dass man das immer organisieren kann. Kinder haben einen komplett anderen Rhythmus als jede Form von Arbeit. Entweder sage ich zu diesem oder einem anderen Rhythmus prioritär ja. Ich kann das aber nicht im permanenten Ausnahmezustand halten.
Es gibt Arbeiten, die man sich zeitlich einteilen kann. Man kann aber zum Beispiel nicht in einer Redaktion arbeiten: Was mache ich denn, wenn die Geschichte gerade heiß wird, das Kind auch heiß wird? Da kann ich doch nicht sagen "Leute, trefft euch doch bitte zu einem anderem Zeitpunkt".
Ich meine nicht, dass Kinder und Arbeiten nicht geht. Nein, aber ich meine, man muss Prioritäten setzen. Und dann ordne ich meine Arbeit und meine Arbeitsstrukturen unter, kein Problem. Aber wenn "Arbeit" gesagt wird, ist auch oft "Karriere" gemeint: Das ist nicht das Gleiche. Ich muss zum Teil einfach auch als Kontinuität in der Branche bleiben.
AVIVA-BERLIN: Welche Facetten Ihrer eigenen Person haben Sie noch nicht ausgelebt?Georgia Tornow: Mit dem Weg, der sich bisher ergibt, bin ich bis jetzt ganz zufrieden. Es fehlen ein paar Facetten und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das schaffe. Aber ich habe jetzt gelesen, wenn man 90.000 Meilen mit miles & more hat, dann kann man mit American Express out of space fliegen: Einmal um den Mond herum. Das will ich noch einmal machen in meinem Leben. Ich werde das auch schaffen.
AVIVA-BERLIN: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?Georgia Tornow: Das ist zu knapp. In 10 Jahren habe ich eigentlich vor, nicht mehr nur an einem Ort zu leben. Vielleicht in Berlin, irgendwo in den USA - Ost- oder Westküste - und in Italien. Aber: immer mit Laptop! Dadurch ist man mit der Welt verbunden und kann auch ganz schnell kommunizieren.